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Volle Kirchen nach dem Anschlag
Die feste Burg
29.04.2002: Die Kirchen in Erfurt sind voll seit dem furchtbaren Mordanschlag vom Freitag. Tausende von Menschen singen Choräle und beten bis tief in die Nacht. Sie suchen so Halt in einer Welt, in der es plötzlich keine Gewissheit mehr zu geben scheint.
Die Kirche starb erst nach der Wende
Erfurt liegt in Thüringen, in der ehemaligen DDR, einem Staat, dessen sozialistische Herren stolz darauf waren, den Glauben aus dem öffentlichen Leben verbannt und fast jede Kirche dem Verfall preisgegeben zu haben. Aber das Christentum war zählebiger als die SED. Das zeichnete sich übrigens auch schon lange Jahre vor der Wende ab. Fast gestorben ist die Kirche erst danach. Da meinten die Menschen, sie brauchten so etwas nicht mehr.
An Auszehrung leidet die Kirche aus ähnlichen Gründen auch im so genannten Westen. Aber immer dann, wenn der Mensch nicht weiter weiß, besinnt er sich wieder, dass da noch etwas war. Ein Ort, eine Atmosphäre, Ruhe und Sicherheit. Das war so, als die ostdeutschen Bürgerrechtler in den ersten Monaten des Jahres 1989 Zuflucht in der Kirche fanden. Das war nach dem 11. September, das ist jetzt wieder so.
Menschen kommen gestärkt aus der Kirche
Die Suche nach dem Halt im Glauben hält bei den meisten Menschen aber nicht lange vor. Ein Zyniker würde sagen, das Verlangen kommt anfallartig. Aber es sind nicht krank machende, es sind heilende Anfälle. Den Menschen geht es hinterher besser. Den meisten jedenfalls. Sie kommen gestärkt aus den Kirchen Erfurts heraus. Woran das liegt? Vielleicht, weil sie begreifen, dass es jenseits von Dax, Lifestyle und Bequemlichkeit noch einen Bezugspunkt geben muss, an dem man sich orientieren kann, wenn die Welt um uns herum in ihren Grundfesten erschüttert wird.
"Der Tagesspiegel" vom 29. April 2002, apz
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