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Feindseligkeiten gegen Christen in der Türkei

Trotz EU-Beitrittsdiskussion mehr Feindseligkeiten gegen Christen in der Türkei

19.10.05: Trotz EU-Beitrittsdiskussionen nehmen die Benachteiligungen und Verfolgungen von Christen in der Türkei zu. Neben den mittlerweile gewohnten Verschleppungen von Genehmigungen für protestantische Gemeinden beobachtet "Open Doors", das internationale Missions- und Hilfswerk für verfolgte Christen mit deutschem Sitz in Kelkheim bei Frankfurt/Main, in letzter Zeit immer mehr verbale und tätliche Anfeindungen gegen Christen in der Türkei.

Polizei oft an Übergriffen beteiligt

Zwar erließ die Türkei im Juni zwar ein Reformpaket, das Religionsfreiheit und Menschenrechte verbessern soll und jedem, der den Ausdruck religiöser Anschauungen behindert, mit drei Jahren Gefängnis droht. Doch wie die von Open Doors gesammelten Beispiele vom Monat August 2005 zeigen, ist die Polizei oft selbst in Übergriffe auf Christen verwickelt. Kein Wunder also, dass sich die Opfer nicht trauen, gerichtlich gegen die „Hüter des Gesetzes“ vorzugehen. Auch wenn viele Beamte durchaus willig sind, sich an das Gesetz zu halten, ist Skepsis angebracht, ob die zu 99 Prozent muslimische Türkei ihren religiösen Minderheiten die neuen Freiheiten wirklich zugestehen wird.

Beispiel 1 vom August 2005

Als Bektas Erdogan vor fünf Monaten von einer Designerfirma für Jeans eingestellt wurde, versicherte ihm sein muslimischer Chef, er werde aufgrund seiner Arbeit und nicht seiner Religion beurteilt. Nachdem sich die erste Kollektion des vor elf Jahren zum Christentum konvertierten Erdogan gut verkaufte, folgte er im August voll froher Erwartung der telefonischen Bitte seines Arbeitgebers, am Sonntagabend zur Arbeitsstelle zu kommen. Dort jedoch beschuldigte ihn sein Vorgesetzter wütend, „Missionsarbeit“ und „Gehirnwäsche“ zu betreiben.

Von zwei Angestellten und einem Verwandten wurde Erdogan zwei Stunden lang verprügelt. Wiederholt schlugen ihm die Männer mit der Faust und dem Griff einer Pistole ins Gesicht. Sie drohten ihm, ihn zu ermorden und seine Leiche zu verstecken. Dreimal versagte die Waffe, als man ihn erschießen wollte. Seit der 32-jährige Erdogan mit geschwollenem, blutigem Gesicht und unter Morddrohungen wieder freigelassen wurde, hat er drei anonyme Todesdrohungen am Telefon erhalten. Da ihm das Vertrauen in die Polizei fehlt, hat er das Geschehene nicht gemeldet.

Seiner Meinung nach ist der Zorn seines Arbeitgebers durch das Interesse seiner Kollegen am Christentum erregt worden. Von ihnen wurde Erdogan während der letzten drei Monate bei fast jeder gemeinsamen Mahlzeit über seine Religion ausgefragt.

Beispiel 2 vom August 2005

Am Tag des Angriffs auf Erdogan bekamen auch zwei andere protestantische Konvertiten Probleme mit Istanbuler Polizisten. Umit und Murat-Can (Namen geändert), beide Anfang 20, waren am 7. August 2005 auf dem Weg zu einer der 25 protestantischen Kirchen türkischer Sprache in Istanbul, als sie einen Auflauf von Polizisten und Zivilisten um den Amerikaner David Byle und seine 3-jährige Tochter bemerkten. Byle hatte sein gesetzlich verbrieftes Recht zum Verteilen christlicher Traktate wahrgenommen, war von zwei Polizeibeamten in Zivil jedoch daran gehindert worden. Einer von ihnen packte ihn am Kinn und schrie auf ihn ein. Die beiden türkischen Christen kannten Byle als Kirchenmitglied und versuchten, ihm zu helfen.

Als es zwischen Umit und einem der Polizisten in Zivil zu Handgreiflichkeiten kam, zwangen ihn etwa 15 Polizisten zu Boden, traten und schlugen ihn. Dann legten sie ihm Handschellen an und brachten ihn in ein nahes Gebäude. „Da erst merkte ich, dass es Polizisten waren“, sagte Umit. Die Beamten schlugen weiter auf ihn ein, ohne sich als Polizisten auszuweisen, und nahmen ihn und Murat-Can anschließend auf die Polizeiwache mit.

Als in Murat-Cans Rucksack 100 christliche Traktate gefunden wurden, beschuldigte die Polizei die jungen Männer, „Missionare“ zu sein, die darauf aus seien, „die Türkei zu spalten“. Zwar wurden sie schließlich freigelassen, ohne dass es zu einer Anzeige kam; doch man sagte ihnen, sie könnten nicht gleichzeitig Türken und Christen sein.

Beispiel 3 vom August 2005

Ebenfalls im August 2005 wurde der Protestant Salih Kurtbas in Eskisehir unter dem Vorwand, mit ihm über den christlichen Glauben sprechen zu wollen, in einen Park gelockt und von drei Männern brutal überfallen. Kurz nachdem er mit blutender Nase, aufgeschlagener Lippe, zwei blauen Augen und geschwollenem Ohr nach Hause gekommen war, bekam er einen wütenden Anruf, in dem ihn die Angreifer der Missionstätigkeit bezichtigten und drohten, jeden zu töten, der Verbindung zu einem ortsansässigen amerikanischen Geschäftsmann habe, der christliche Propaganda betreibe. Aus Angst ging auch Kurtbas nicht zur Polizei.

Warten auf Genehmigung

In Eskisehir verzögert sich die offizielle Genehmigung der ersten protestantischen Kirche immer wieder. Der Gouverneur reagierte bislang nicht auf eine Eingabe. Und von der Stadtverwaltung heißt es, das Gebäude halte die Standards der Erdbebensicherheit nicht ein, wie Open Doors von Kurtbas erfuhr.

Opfer erstatten oft keine Anzeige, weil Vertrauen in Rechtsstaat fehlt
So werden Opfer zu Tätern gestempelt

Der Rechtsberater des Verbandes protestantischer Kirchen gibt Opfern von Misshandlungen auch als Selbstschutz den Rat, die Gerichte anzurufen: „Wenn du nicht gegen die Polizei Anzeige erstattest, könntest du dich selber vor einem Gericht oder sogar im Gefängnis wiederfinden, obwohl du das Opfer eines polizeiliches Übergriffs bist“, sagt er. Oft würden die Opfer nämlich vorsichtshalber verklagt, um Beamte gegen eine Strafverfolgung abzuschirmen.

Weniger als 100.000 Bürger der Türkei gehören den altchristlichen armenischen, griechischen und syrisch-orthodoxen Kirchen an, deren Gemeinden ausschließlich aus den jeweiligen Ethnien bestehen. Im Gegensatz dazu stellt nach Meinung breiter Kreise der Öffentlichkeit die wachsende Gemeinschaft der jetzt schätzungsweise 3.500 türkischen Protestanten einen Angriff auf das Jahrhunderte alte Weltbild dar, ein Türke sei immer ein Muslim.

Quelle: opendoors-de.org

 

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