Album
des Monats Januar 2021
Drahtseilakt von LUPID ist AREF-Album des Monats
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Lupid
Foto: © Lea Brauer
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Ich glaube, die Definition von Glück
ist: wollen, was man hat., meint Tobias Hundt nach den Erfahrungen
der letzten Zeit. Als seine Beziehung dem Ende entgegen geht, kämpft
er, fängt an, Tagebuch zu schreiben, ohne da schon zu ahnen,
wie viele Zeilen daraus auf diesem Album einmal zu Liedzeilen werden
würden. Lieb mich jetzt, als wärs zu spät,
als wär ich weg., klammert er im ersten Track noch und
merkt, dass seine Beziehung eben kein Happy End hat wie ein
Hollywoodfilm: ... versuche zurückzuspulen, doch du kommst
nicht zurück zu mir.
Altes bricht zusammen, neues beginnt - auch
in der Musik. Lupid haben das Major-Plattenlabel vom ersten Album
wieder verlassen. In Nicht für Gold beschreibt Tobias
Hundt den Befreiungsprozess aus einer für ihn nicht mehr ertragbaren
Enge: Ich hab zu spät gecheckt, dass ich gar nichts muss.
Mach mit all dem Frust und dem Theater Schluss. Ich bin mir endlich
meiner selbst bewusst. Kein Wort, was mich hält, kein Dank,
den ihr zollt, nicht für Kohle, nicht für Gold.
Selber sein dürfen, wer man ist, und selber machen müssen,
Verantwortung übernehmen ist jetzt dran und heißt auch,
die Hoffnung mittels Crowdfunding in die Fans zu setzen: Wir
haben nicht viel, doch es ist genug. Nicht immer leicht, aber alles
cool. Wir sind broke, doch haben Millionen Erinnerungen.
Wir haben nichts, nichts zu verlieren.
Den Wechsel von höher-weiter-mehr zur
reinen Zufriedenheit beschreibt Lupid in Panama: Ich
hab so viel gesehen und jetzt weiß ich, es ist alles da.
Hoffnung keimt auf und der melancholische
Anteil auf dem Album wird spätestens im Duett zusammen mit
Gastsängerin Revelle durchbrochen: Ich vermisse nichts,
wenn du bei mir bist.
Der Drahtseilakt über alte Gewohnheiten
und Abhängigkeiten hin zur neuen Freiheit braucht ein starkes
Gleichgewicht. Lupid hat es gefunden und lässt die Fans mit
der Musik emotional teilhaben und mitzittern.
Heiko Müller,
AREF, 23.12.2020
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