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Amerikanisierung unserer kirchlichen Verhältnisse
Kirchenbeauftragter Ziegert übt scharfe Kritik an den Evangelikalen
04.10.06: Scharfe Kritik an der evangelikalen Bewegung und der Zusammenarbeit ehrgeiziger Kirchenleute mit ihr hat der Weltanschauungsbeauftragte der pfälzischen Kirche, Pfarrer Richard Ziegert (Ludwigshafen), geübt. Viele Funktionsträger im Raum der Kirche unterstützten ohne nachzudenken die Amerikanisierung unserer kirchlichen Verhältnisse, schreibt der Theologe im Pfälzischen Pfarrerblatt. Darunter versteht Ziegert den mit großem Marketing und Kapitaleinsatz optimierten Verkauf einer für die kulturellen Bedürfnisse der US-Mittelklasse präparierten idealisierten Vorstellung von Christentum.
Ziegert beklagt Amerikanisierung unserer kirchlichen Verhältnisse
American Gospel (amerikanisches Evangelium) sei eine christlich-fundamentalistische Mischung von Religion und Politik, wie sie islamische Religionsführer im Iran nachgemacht hätten. Die moderne Geschichte des religiös-politischen Fundamentalismus beginnt in den USA, nicht in Teheran, so Ziegert. Wie die meisten Theologen übersehe auch der Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin, Reinhard Hempelmann, die politisch wichtige gesellschaftliche Funktion evangelikaler Frömmigkeit für das US-Nationalbewusstsein. Ziegert zufolge vertritt der Arbeitskreis für Politik der Deutschen Evangelischen Allianz einen vergleichbaren politisch-religiösen Totalitarismus, ohne dass es dagegen Einsprüche aus Kirche, Theologie und politischem Establishment gebe.
Ein weiteres, in Deutschland übernommenes Ziel der US-Evangelikalen sei eine evangelikal-globale Überkonfession neben den Kirchen. Als Kronzeugen führt Ziegert Äußerungen des Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz, Peter Strauch (Witten), an: Welcher Kirche man angehört. ist zweitrangig. Strauch, hauptberuflich Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, hatte gesagt, dass man nicht Christ durch Kirchenzugehörigkeit werde, sondern durch Bekehrung und Wiedergeburt.
Ziegert beklagt, dass Evangelikale im Rat der EKD überrepräsentiert sind
Anzeichen für eine Evangelikalen freundliche Kirchenpolitik in Deutschland sieht Ziegert beispielsweise in der Zusammensetzung des höchsten EKD-Gremiums, des Rats. Auf dessen evangelikaler Bank säßen vier bis fünf der 15 Ratsmitglieder, obwohl nur ein bis zwei Prozent der Kirchenmitglieder evangelikal seien.
Problematisch seien auch die Zusammenarbeit der EKD mit der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), das Sponsoring von EKD-Events durch das Hilfswerk World Vision und der nur mit Hilfe der Kirchen erfolgte und Millionen erfordernde Aufbau von Bibel TV als evangelikalem Propagandaträger. Durch Unterstützung von Evangelisationen wie ProChrist mache man den kirchlichen Lebensstil und den evangelikalen Lebens- und Missionsstil immer weniger unterscheidbar.
Ziegert: Ein auf primitivste Lebenserfolgsmoral aufgepresster evangelikaler Amerikanismus missioniert bei uns in strategischer Breite, unterstützt von politischen Aktivitäten und ehrgeizigen Kirchenleuten, um die sie störenden Widerständigkeiten des alteuropäischen sozialistischen Kirchen-Christentums auch bei uns auszutreiben. Was sie als Ersatz anbieten, sieht manchmal so aus wie ein entschiedener christlicher Bibel-Fundamentalismus. Aber er ist nicht einmal mehr das. Er tut nur biblisch. In Wahrheit ist er immer (nur) ein Geschäft. Laut Ziegert ist die Vorstellung falsch, dass Evangelikale und Kirchen in einem Boot sitzen, wie es der EKD-Rundfunkbeauftragte Bernd Merz (Hamburg) jüngst formulierte. Auch der EKD-Ratsvorsitzende, der Berliner Bischof Wolfgang Huber, benutzte diese Beschreibung während der EKD-Synode 2005.
Vorsitzende der Evangelischen Allianz weist die Kritik zurück
Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Präses Peter Strauch (Witten), hat die Kritik Ziegerts gegenüber der Nachrichtenagentur idea zurückgewiesen. Dessen Behauptung, den Evangelikalen gehe es nur ums Geschäft, diskreditiere das ehrenamtliche Engagement Tausender, die Zeit und Geld für die Ausbreitung des Evangeliums opferten. Strauchs Aussage, dass es zweitrangig sei, welcher Kirche man angehöre, habe sich lediglich auf die Frage des Heils bezogen. Für ein gesundes geistliches Leben komme es dagegen durchaus auf die Ortsgemeinde an. Doch wolle die Evangelische Allianz gerade kein Gemeinde-Ersatz sein. Sie sei vielmehr eine geistliche Einheitsbewegung über Kirchengrenzen hinaus.
Der frühere Vorsitzende der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) und heutige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland, Bischof i. R. Walter Klaiber (Tübingen), sagte gegenüber idea, er sei dankbar für das Engagement der Evangelikalen, besonders in der Evangelisation. Die Vorwürfe Ziegerts kommentierte er mit den Worten: Ich bedauere, dass bestimmte negative Erscheinungen in der amerikanischen religiösen Landschaft dazu benutzt werden, die für die gemeinsame missionarische Aufgabe lebenswichtige Zusammenarbeit von Freikirchen und Landeskirchen in Frage zu stellen.
Präsident des EKD-Kirchenamts : Die Landeskirche braucht die Evangelikalen
Indirekt nahm auch der Präsident des EKD-Kirchenamts, Hermann Barth (Hannover), zu den Vorwürfen Stellung. Beim Deutschen Evangelischen Allianztag in Bad Blankenburg (Thüringen) sagte er am 30. September, der evangelikalen Bewegung gelte Anerkennung und Dank für ihre Arbeit. So helfe sie, evangelische Christen wieder zum Lesen der Bibel zu motivieren und bei ihnen statt einer Fixierung des Blicks auf das Diesseits wieder die kommende Welt ins Bewusstsein zu rücken. Auch mit ihrem missionarischen Engagement helfe sie der Kirche, ihrem Auftrag treu zu bleiben. Barth warb vor 140 Zuhörern davor, die Zusammenarbeit zwischen EKD und Evangelischer Allianz weiterzuführen und zu vertiefen mehr
Quelle: http://www.ead.de/aktuell/?id=1526
Autor: Uwe Schütz, 04.10.2006
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