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Das Kalenderblatt

Eine Kalenderwoche zurück

KW 33 / 2003

Eine Kalenderwoche weiter

 

Außer Kontrolle

Vor 15 Jahren: Geiselgangster als Medienstars

16.08.1988: Im nordrhein-westfälischen Gladbeck überfallen zwei Bankräuber die die Filiale der Deutschen Bank. Als die Polizei ihnen den Fluchtweg abschneidet, nehmen sie zwei Bankangestellte als Geiseln. Sie erpressen Lösegeld und ein Fluchtauto. Eine ziellose Irrfahrt mit wechselnden Fahrzeugen quer durch Nord- und Westdeutschland mit bis zu 60 Pressefahrzeugen im Schlepptau beginnt. Die Sensationsgier der Reportern lähmt die Arbeit der Polizei.

Am 3. Tag, als bereits eine Geisel und ein Polizist getötet wurden, parkt der Fluchtwagen mittags umlagert von Presse und Fernsehen in der Kölner Fußgängerzone. Die Geiselgängster geben Interviews. Das Bild, wie ein Geiselgangster seine Pistole auf den Kopf einer Geisel hält, geht um die Welt. *)

Bei der Weiterfahrt machen sich Journalisten zu Mittätern. Wenige Stunden später wird die Geisel getötet, als die Polizei das Drama auf der Autobahn Köln-Frankfurt gewaltsam beendet. Die Bilanz: Drei Tote und sechs Schwerverletzte.

* * *

Sowohl Polizei als auch Medien gerieten wegen ihres unklugen Vorgehens heftig unter Druck und wiesen sich gegenseitig die Schuld zu.

Jeden Tag setzen Reporter ihr Leben aufs Spiel, um näher dran zu sein und damit "bessere Bilder" zu haben als der Mitbewerber. Durch die Veröffentlichung erhöhen die Reporter den Druck auf die Verantwortlichen und werden zu Handlangern von Verbrechern und Terroristen.

Die Lösung aus diesem Teufelskreis kann nicht Zensur sein, sondern ein gesunder Umgang mit dem Medium Fernsehen: Nicht alles konsumieren, sondern abschalten und das Gesehene reflektieren. Vielleicht ergibt sich daraus ein gutes Gespräch mit Freunden oder in der Familie.

Uwe Schütz

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*) Das Bild haben wir mit Rücksicht auf die Mutter der getöteten Geisel aus dem Kalenderblatt wieder entfernt