"Es gibt keinen Schlussstrich"
Bundestag gedachte der Opfer des Nationalsozialismus
27.01.09: Der Deutsche Bundestag gedachte heute
in einer Feierstunde den Opfern des Nationalsozialismus. Bundespräsident
Prof. Dr. Horst Köhler und Bundestagspräsident Prof. Dr.
Norbert Lammert appellierten in ihren Reden daran, die Erinnerung
wachzuhalten und an die folgenden Generationen weiterzugeben.
Bundestagspräsident sprach über Errungenschaften und
Brüche deutscher Geschichte
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Holocaust-Gedenkfeier
am 27.01.2009 im im Deutschen Bundestag
Quelle: www.bundestag.de
© DBT/Büker |
Mit seinen vielen Gedenktagen
spiegelt das Jahr 2009 nach den Worten Lammerts die Errungenschaften
wie die Brüche der wechselvollen Geschichte Deutschlands im
20. Jahrhundert. Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus
werde jeden der kommenden Gedenktage 60 Jahre Grundgesetz,
70 Jahre Beginn
des Zweiten Weltkrieges, 90 Jahre Weimarer
Verfassung, 20 Jahre Mauerfall
wie ein roter Faden verbinden, vor allem den 60. Jahrestag
der Gründung der Bundesrepublik.
Die zweite deutsche Demokratie
sei auf den Trümmern eines totalitären Regimes entstanden,
das eine beispiellose politische, ökonomische und vor
allem moralische Verwüstung hinterlassen habe. Nicht
zufällig bestehe ein enger zeitlicher Zusammenhang zur Staatsgründung
Israels, das 2008 seinen 60. Jahrestag feiern konnte. Der
israelische Staat wurde auf der Asche des Holocaust
gegründet von Überlebenden der Todeslager und von
Flüchtlingen aus den zerstörten Ghettos, so der
Bundestagspräsident.
Bundespräsident Köhler fordert zur Solidarität
mit jüdischen Landsleuten auf
Bundespräsident
Horst Köhler hat die Deutschen zur Solidarität mit ihren
jüdischen Landsleuten aufgefordert. «Wer sie angreift,
greift uns alle an», sagte Köhler bei der Feierstunde
des Bundestages zum Holocaust-Gedenktag heute in Berlin. Bundestagspräsident
Norbert Lammert (CDU) bezeichnete den Holocaust als immerwährende
Warnung, nicht zu schweigen, wenn «Menschen Opfer insbesondere
von ideologisch motivierter Gewalt werden».
Zentralrat der Juden in Deutschland boykottierte die Gedenkfeier
Die Zentralratspräsidenten,
die bisher alle Überlebende des Holocausts waren, seien nie
offiziell vom Bundestagspräsidenten begrüßt worden,
kritisierte der Generalsekretär des Zentralrats
der Juden in Deutschland, Stephan Kramer. Daher habe das Präsidium
in diesem Jahr andere Termine anlässlich des Gedenktages wahrgenommen.
Köhler ging in seiner
Rede nicht auf die Absage des Zentralrats der Juden ein. Es sei
ein Geschenk, dass in Deutschland wieder jüdisches Leben erblühe,
sagte der Bundespräsident. Dass aber Orte jüdischen Lebens
von der Polizei vor «alten und neuen Extremisten» geschützt
werden müssten, sei eine Schande. Köhler erinnerte daran,
dass die Naziverbrechen ohne Mittäter, Mitläufer und «die
vielen, die wegschauten und schwiegen», nicht möglich
gewesen wären.
Köhler mahnte, die Erinnerung an den Holocaust aufrecht zu
erhalten
Die Verantwortung aus
der Schoah
sei ein Teil der deutschen Identität, sagte Köhler weiter.
Die Trauer über die Opfer, die Scham über die furchtbaren
Taten und der Wille zur Aussöhnung mit dem jüdischen Volk
und den Kriegsgegnern von einst führten zu den «Wurzeln
unserer Republik». Der erste Artikel des Grundgesetzes, «die
Würde des Menschen ist unantastbar», sei die Antwort
auf die Erfahrung der Hitler-Diktatur.
Wer sich der Vergangenheit
nicht stelle, dem fehle das Fundament für die Zukunft. Es gebe
bereits viele gute Erinnerungsprojekte in Deutschland. Er hoffe,
dass diese Nachahmer und Nachfolger fänden, sagte Köhler.
Kritisch merkte der Bundespräsident an, dass es mit dem Geschichtswissen
«bei unseren jungen Leuten nicht zum Besten steht».
Zugleich erinnerte er
dran, dass «Deutschland mit seiner Geschichte» in besonderer
Verantwortung für Israel stehe. Die Deutschland wollten, dass
die Bürger Israels in sicheren Grenzen frei von Angst und Gewalt
leben könnten. Zugleich wolle Deutschland, dass das palästinensische
Volk in einem eigenen lebensfähigen Staat seine Zukunft finden
könne.
Zeitzeugen hören und selber zum Zeitzeugen werden
Erinnerung lebe von der
Unmittelbarkeit und Authentizität der Eindrücke, sagte
Bundestagspräsident Lammert weiter. Der Friedensnobelpreisträger
und Holocaust-Überlebende Elie Wiesel habe einmal daran erinnert,
dass jeder, der einem Zeitzeugen zuhöre, selbst zu einem Zeitzeugen
werde.
Er verstehe diese Worte
als Appell und Verpflichtung, «gut zuzuhören»,
sagte Lammert. «Als Zeugen geben wir die Lehren, die wir aus
unserer Geschichte gezogen haben, an die nächste Generation
weiter.» Am Holocaust-Gedenktag werde der verfolgten und ermordeten
Juden, Roma und Sinti, Zwangsarbeiter, Homosexuellen, politischen
Gefangenen, Kranken und Behinderten und aller «zu Feinden
des Nationalsozialismus erklärten Menschen» gedacht.
Gedenktag geht auf eine Initiative des Bundespräsidenten
Roman Herzog zurück
An der Gedenkstunde im
Bundestag nahmen neben den Bundestagsabgeordneten auch Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU), Bundesratspräsident Peter Müller
(CDU) und Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen
Papier teil. Abiturientinnen der Berliner Sophie-Scholl-Oberschule
lasen Auszüge aus dem Buch «Kinder über den Holocaust.
Frühe Zeugnisse 1944-1948» vor.
Deutschland erinnert
seit 1996 zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz
am 27. Januar 1945 an die NS-Opfer. Der Gedenktag geht auf eine
Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zurück.
2005 erklärten die Vereinten
Nationen den Tag zum weltweiten Holocaust-Gedenktag.
Quellen: jesus.de-Newsletter
vom 27.01.2009 / epd und deutscher-bundestag.de
Autor dieser Webseite:
Uwe Schütz
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