Gelebter Glaube notwendig
Wolfgang Thierse sprach in Ev.-Freik. Gemeinde über Glaube
in der Politik
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Wolfgang
Thierse
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13.09.2012: Welche Rolle
der christliche Glaube in der Politik spielt und warum Christen
gesellschaftliche Verantwortung übernehmen sollten darüber
sprach Wolfgang Thierse, Bundestagsvizepräsident und bekennender
Katholik, am ersten Sonntag im September (02.09.1912) in einem Gottesdienst
in der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Zoar in Berlin.
Despotismus kommt ohne
Religion aus Freiheit nicht." Mit diesem Zitat des französischen
politischen Philosophen Alexandre de Tocqueville begann Thierse
seine Predigt. Dem Satz stellte er den Vorwurf von Kritikern gegenüber,
Religion sei freiheitsfeindlich und solle sich aus der Politik heraushalten.
Aus Sicht der Bibel sei das eine nicht haltbare Forderung, sagte
Thierse: "Es gibt viele Bibelstellen, in denen von christlicher
Verantwortung für das Miteinander von Menschen die Rede ist.
Deshalb ist nicht allein ein geglaubter christlicher Glaube, sondern
vielmehr ein gelebter Glaube notwendig."
Der Mensch dürfe nicht auf Arbeitskraft und Konsument reduziert
werden
Als wichtigstes Ziel
von Politik nannte Thierse, der sieben Jahre Präsident des
Deutschen Bundestages war und seit 2005 dessen Vizepräsident
ist, den Schutz der Menschenwürde. Er begründete dies
damit, dass Gott jedem Menschen die gleiche Würde verliehen
hat, und kritisierte, dass der Mensch in einer Marktwirtschaft auf
"Arbeitskraft und Konsument reduziert" würde. Das
Evangelium jedoch bemesse den Wert eines Menschen nicht nach dessen
Leistung, Geldbeutel oder Erfolg. Stattdessen handele die Bibel
von der Würde der Leidenden, der Scheiterten, der Behinderten,
der Armen und der Kranken. "Das Evangelium ist ein befreiender
Einspruch gegen die Entmoralisierung der sozialen Beziehung und
gegen die Absolutsetzung des ökonomischen Erfolgs", sagte
Thierse.
Vor diesem Hintergrund
ist die Schaffung eines sozialen Ausgleiches laut Thierse ein weiteres
zentrales Ziel von Politik. Den Sozialstaat, wie es ihn in Deutschland
gibt, bezeichnete er als die "größte europäische
Kulturleistung", den Politiker bewahren und weiterentwickeln
müssten. Auch Christen sollten politische und gesellschaftliche
Verantwortung für sich und ihre Mitmenschen übernehmen.
Thierse: "Die Frage an dieser Stelle ist, lässt man andere
über sich entscheiden oder versucht man, Einfluss zu nehmen?"
Christen, die sich hier angesprochen fühlen, könnten sich
beispielsweise auf kommunalpolitischer Ebene oder in Verbänden
und Initiativen engagieren, riet Thierse.
Thierse ist seit 1990 Mitglied der SPD
Er selbst ist seit 1990
Mitglied in der SPD und war bis 2005 einer der stellvertretenden
Parteivorsitzenden. Zudem gehört der heute 68-Jährige
dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken an. Was ihm an Politik
am meisten interessiert? "Ich bin ein leidenschaftlicher Diskutierer",
antwortete er und erklärte: "Demokratische Politik ist
größtenteils Kommunikation, Gespräch und friedlicher
Streit nach Regeln der Fairness." Allerdings nerve es
ihn manchmal, dass demokratische Politik "mühselig und
langsam" sei, weil möglichst viele ihren "Senf"
dazugeben sollen.
Dass die Übernahme
politischer Verantwortung unter Umständen einfach und bequem
sein kann, zeigte sich am Ende des Gottesdienstes: Eine Frau appellierte
an die Gemeinde, sich an einer Unterschriftensammlung für eine
Petition zugunsten der Finanzierung von persönlichem Pflegepersonal
für Behinderte während eines Krankenhausaufenthaltes zu
beteiligen. Fast alle Unterschriftenlisten waren am Ende ausgefüllt.
Quelle: pro-medienmagazin.de
vom 03.09.2012
Autor dieser Webseite:
Uwe Schütz
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