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Leserbrief

Verstaatlichung der Familie

Leserbrief zum Thema Schulgebäudezwang

Der ehemalige Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm (CDU) bricht erneut für Familien eine Lanze. Dabei nimmt er zu den negativen Auswirkungen einer sich ausbreitenden Verschulung Stellung, die totalitäre Tendenzen aufweist.

Nach einer Streitschrift in ‘Zeit Online’ vor zweieinhalb Monaten bringt der Ex-Minister nun auch in der ‘Frankfurter Allgemeinen Zeitung’ seine Thesen auf den Punkt: Der Zusammenhang zwischen der in immer weitere Lebensbereiche eingreifenden Schule und dem Rückgang kindlicher und familiärer Freiheit geht auf eine politische Zielsetzung zurück.

Mit Blüm rückt erstmals jemand aus dem etablierten Politikbetrieb ins Blickfeld, was mehr und mehr Eltern am eigenen Leib erfahren: Schulzwang ist der Hebel, über den unser Staat immer stärker in die Familien eindringt und sie ihrer eigentlichen Funktionen entkleidet. In “Verlust der Kindheit” (FAZ, 4. Juni 2012) nimmt Blüm aufs Korn, was er als das “Maximalprogamm des familienfreien Fortschritts” identifiziert hat: “Die Erziehung wird verstaatlicht, die Kindheit enteignet und die Familie sozialisisiert.” Der Staat setze auf pädagogische Bevormundung und nutze die allgemeine erzieherische Verunsicherung der Eltern aus.

Blüms nicht ganz unkriegerische Wortwahl – von “pädagogischem Generalstab” und “Schul-Imperialismus” ist die Rede – unterstreicht, daß hier eine Polit-Strategie kämpferisch verfolgt wird. Das “verstaatlichte Erziehungsgewerbe” besitzt quasi-religiösen Charakter, vollständig mit einem zentralen Ritus: “Das Hochamt pädagogischer Expertokratie feiert die Schule.” So werde in der Schule nicht mehr nur fürs Leben gelernt. Stattdessen sei sie das Leben selbst. Mit der Folge, daß Familie sich in eine Garage verwandele, “in die man abends einfährt, um morgens – frisch getankt – ins eigentliche Leben wieder auszufahren.” Außerschulische Freizeit reduziere sich für die Schüler weitgehend darauf, ihre Lernbereitschaft wiederaufzufrischen – durch nächtlichen Schlaf. Für weitergehende Tätigkeiten, geschweige denn familiäres Zusammensein bleibe kaum etwas übrig.

Im seinem Plädoyer für den Erhalt von Kindheit springt Blüm – unausgesprochen – auch Hausunterrichtern bei. Denn die haben für sich eine Konsequenz aus der Tatsache gezogen, daß Kindheit etwas Einmaliges, Unwiederbringliches, unbezahlbar Wertvolles ist – und unter Dauerbeschuß durch einen bevormundenden Staat steht. Nicht die unwichtigste Aufgabe von Familie ist es, den Kindern einen Schutz- und Rückzugsraum zu bieten, in dem sie sich ungestört entwickeln, lernen und Kraft des von den Eltern vermittelten Wertegerüstes festen Boden unter den Füßen gewinnen können: Für ein gelingendes Leben auch in der Folgegeneration.

Wenn Eltern also mit hohem Einsatz Bedingungen schaffen, unter denen Kindheit stattfinden kann, dann legen sie sich zwar mit dem Staat an. Denn dieser bewirkt zur Zeit das genaue Gegenteil dessen, was Kindern und Familien zuträglich ist. Nichtsdestotrotz aber machen jene, die durch ihren Hausunterricht aktiv dem “Verlust der Kindheit” vorzubeugen versuchen, sich um unser Land und unsere Zukunft verdient. Leider hat sich hierzu noch kein Politiker wahrnehmbar positiv zu äußern gewagt.

Jürgen Dudek

Leserbrief vom 08.06.2012

Dieser Leserbrief nimmt Bezug auf folgenden Artikel: www.zeit.de/2012/12/C-Bluem/komplettansicht

 

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