"Der dritte Weg"
Diakonie: Nächstenliebe gegenüber den Kunden, aber gegenüber
dem Personal = ?
31.01.2013: "Über
Gerechtigkeit und Nächstenliebe reden die Kirchen gern und
viel. Doch viele ihrer Mitarbeiter vermissen genau diese Tugenden,
wenn es um die Bedingungen an ihren Arbeitsplätzen geht. Immer
wieder kämpfen sie gegen Lohndumping und Leiharbeit in ihren
kirchlichen Einrichtungen," stellte Gita Datta in der Sendung
"Die Story im Ersten: Arbeiten für Gottes Lohn" fest,
die am Montag, 28. Januar, um 22.45 Uhr im Ersten lief.
Kirchliche Wohlfahrtsverbände sind in der Deutschland der
zweitgrößte Arbeitgeber
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Die
ARD-Doku "Die Story im Ersten: Arbeiten für Gottes
Lohn" am Mo., 28.01.12 zeigte, dass viele Beschäftigte
von Diakonie und Caritas mit der finanziellen Vergütung
unzufrieden sind. Foto: ARD / pro Screenshot |
Rund 1,3 Millionen Menschen
sind bei den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas
beschäftigt. Damit sind die Kirchen nach dem Öffentlichen
Dienst der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Die
Dokumentation schildert, wie sich viele Beschäftigte gegen
ihren Arbeitgeber Kirche wehren, wie sie sich organisieren und für
gerechtere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen engagieren.
"Diakonie definiert sich nicht über den Tarif, sondern
über den Auftrag der Nächstenliebe, den Gott uns gegeben
hat", zitiert der Film Pastor Friedrich Schophaus.
Bethel unterläuft Kirchentarif mit Leiharbeit
Bethel bei Bielefeld,
eines der größten diakonischen Werke in Europa, betreibt
50 Einrichtungen in Deutschland. Der Jahresumsatz beträgt eine
Milliarde Euro. Roland Brehm, Mitarbeitervertreter in Bethel, spricht
allerdings von einer "Glaubwürdigkeitslücke",
wenn Mitarbeiter "Lohnsenkung, Arbeitsverdichtung, Stellenabbau"
erlebten. Als Beispiel wird das Evangelische Krankenhaus in Bethel
mit 4.000 Mitarbeitern genannt, bei dem mehrere Mitarbeiter über
Leiharbeit beschäftigt werden. Deren Gehälter sind geringer
als die der Festangestellten. "Bethel gründet aus, um
nicht mehr kirchliches Arbeitsrecht anwenden zu müssen",
sagt Brehm. "Billigere Personalkosten ermöglichen anderes
wirtschaftliches Handeln." Ein Physiotherapeut spricht anonym
vor der Kamera über das geringe Gehalt als Leiharbeiter, und
dass die Mitarbeiter keine Sicherheit hätten. Er selbst verdiene
1.000 Euro im Monat weniger als seine nach Kirchentarif bezahlten
Kollegen. Er erwarte von seinem Arbeitgeber, der Kirche, dass er
fairer behandelt wird.
Leiharbeiter bekommen bei den Maltesern 20% weniger als Festangestellte
Auch die katholischen
Malteser beschäftigen Mitarbeiter von einer Leiharbeitsfirma.
Ein ehemaliger Rettungsassistent, der in Leiharbeit beschäftigt
war, sagt, er habe dieselbe Arbeit gemacht wie fest Angestellte,
habe aber rund 20 Prozent weniger verdient. Die Pressesprecherin
der Malteser hält dem entgegen, dass die Malteser nur zwei
Prozent ihrer Mitarbeiter in Leiharbeit beschäftigten. "Das
ist notwendig geworden, um diesen Maltesern den Arbeitsplatz zu
erhalten", sagt sie.
"Der dritte Weg" berechtigt die Kirchen, für ihre
Mitarbeiter eigene Tarife aufzustellen
"Sie werden fast
ausschließlich vom Staat bezahlt, sind aber im Auftrag der
Kirchen tätig", so der Film. Die Sonderrechte erhielten
die Kirchen in der Weimarer
Reichsverfassung und haben bis heute Gültigkeit, erklärt
der Film. Deswegen gilt für alle kirchlichen Einrichtungen
der so genannte "Dritte Weg": Er berechtigt die Kirchen
dazu, eigene Tarife für ihre Mitarbeiter aufzustellen. Streiks
sind nicht erlaubt. Das widerspreche dem Gedanken der christlichen
Dienstgemeinschaft.
"Aktive Mittagspause" statt Streik
Der Film zeigt zudem
Beispiele dafür, wie sich Mitarbeiter gegen ihre Situation
zur Wehr setzen. In einer Diakonischen Einrichtungen in Heide, Schleswig-Holstein,
etwa streikten die Mitarbeiter trotzdem gegen zu niedrige Löhne,
nannten dies aber "aktive Mittagspause". Der Vorstand
des Hauses gab ihnen zu Verstehen, dass aus finanziellen Gründen
nicht nach den kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) gezahlt
werden könne.
Entscheidungen der Kirchengerichte,
die in arbeitsrechliche Konflikten Recht sprechen, würden von
den Arbeitgebern nicht respektiert und nicht umgesetzt und Vollstreckungsmöglichkeiten
gäbe es keine, so der Film.
Die Doku endete mit dem Beispiel einer solidarischen Lösung
In der Bremer Einrichtung
"Friedehorst" haben sich nach langen Verhandlungen die
Mitarbeiter darauf geeinigt, dass viele von ihnen zwei Jahre lang
auf zehn Prozent ihres Gehalts verzichten, damit alle Mitarbeiter
nach Kirchentarif bezahlt werden können. Der Film zieht als
Fazit: "Eine solidarische und irgendwie auch christliche Lösung."
Quelle: www.pro-medienmagazin.de,
30.01.2013
Autor dieser Webseite:
Uwe Schütz
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