Familie auf der Flucht vor den Behörden
Hamburger Familie flüchtet aus Angst vor Sorgerechtsentzug
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Hausunterricht
bei Familie Rudolph
Foto: AREF-Screenshot von Stern-TV am 13.09.06
auf RTL
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31.08.2006: Laut einem
Bericht der "Welt am Sonntag" (WamS) floh eine Familie
am vergangenen Wochenende aus ihrem Wohnort Hamburg aus Angst vor
Entzug des Sorgerechts. Ihr Anwalt, Armin Eckermann, bestätigte
die Abreise: "Sie sind aus Hamburg weggefahren." Nachbarn
hätten am Sonntag beobachtet, wie die Familie in einem Wohnmobil
abgereist war. Ihr Aufenthaltsort ist offiziell unbekannt. Gerüchten
zufolge seien sie nach Österreich geflüchtet, heißt
es in der "WamS" weiter. Denn dort ist "Homeschooling"
erlaubt.
Weil die Eltern ihre
drei schulpflichtigen Töchter im Alter von 11, 13 und 15 Jahren
seit fünf Jahren zu Hause unterrichten (Homeschooling) und
sie auch ihren sechsjährigen Sohn in diesem Jahr nicht einschulten,
muss Familie Rudolph eine Geldstrafe von 840 Euro wegen Verstoßes
gegen das Schulgesetz zahlen. Kürzlich musste der Vater sogar
für eine Woche in Erzwingungshaft. Als nach seiner Entlassung
die Kinder wieder nicht zum Unterricht an einer Gesamtschule erschienen,
stellte die Behörde schließlich einen Antrag auf Entzug
des Sorgerechts.
Homeschooling
Hausunterricht, Heimunterricht
oder auf Neu-Deutsch "Homeschooling" ist und bleibt in
der deutschen Öffentlichkeit umstritten. Seit Monaten begleiten
Medien den Fall der Familie R. Die Eltern, überzeugte Christen,
wollen aus Gewissensgründen ihre Kinder zu Hause unterrichten.
In der anhaltenden Debatte werden Befürworter von Homeschooling
in eine fundamentalistische Sektenecke gestellt.
Während "Homeschooling"
in anderen Ländern erlaubt und erfolgreich ist, ist Homeschooling
in Deutschland gesetzlich untersagt. Eltern, die ihre Kinder zu
Hause unterrichten, drohen Zwangsgelder und der Entzug des Sorgerechts.
Als erstes deutsches
Bundesland hat Bayern
im Februar 2006 eine Ergänzungsschule zugelassen, so genanntes
Homeschooling. Eltern dürfen ihre Kinder nach offiziellen Lehrplänen
zu Hause unterrichten - die Prüfungen werden in staatlichen
Schulen abgelegt.
Im Juni 2006 hatte das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde eines Elternpaars
aus Hessen abgewiesen und damit für die Bestrafung von Schulverweigerung
aus religiösen Gründen grünes Licht gegeben mehr
bei uns über die Bundesverfassungsgericht-Entscheidung
"Teil einer groß angelegten Strategie" von Fundamentalisten
?
Bei dem gläubigen
Ehepaar R. handele es sich nicht um mutige Einzelkämpfer, mutmaßen
die "WamS" und das "Hamburger Abendblatt" in
ihren Berichten. Vielmehr sei der jahrelange Kampf der von der "WamS"
als "fundamentalistisch" bezeichneten Familie gegen die
Schulbehörden "Teil einer groß angelegten Strategie".
Die Familie wurde in den Berichten gar in die Sektenecke gerückt.
Die Sektenbeauftragten
in Deutschland beobachten die US-Bewegung laut den Zeitungsberichten
allerdings argwöhnisch, da auch hierzulande religiös motiviertes
Homeschooling zunehme. Bundesweit werden bislang Kinder aus 500
Familien zu Hause unterrichtet.
Schulunterricht zu Hause e.V.
Denn der Anwalt der Familie
R., Armin Eckermann, und seine Ehefrau Gabriele, ebenfalls Anwältin,
gehören einem weltweiten Netzwerk einer Glaubensbewegung namens
"Homeschooling" an. Die Eckermanns vertreten die Familie
R. juristisch. Armin Eckermann ist der Vorsitzende des Vereins "Schulunterricht
zu Hause e. V." (Schuzh). Auch dieser im Jahr 2000 gegründete
Verein gehört zu dem Netzwerk "Homeschooling".
Ziel des Vereins ist
die "Förderung der Vermittlung schulischen Wissens in
häuslicher privater Unterrichtung unter Zugrundelegung christlich-biblischer
Maßstäbe". Der Verein will Eltern, die Homeschooling
betreiben, beratend zur Seite stehen und Anwälte vermitteln,
die juristischen Beistand geben. Verbunden ist der Verein mit der
"Home School Legal Defense Association" (HSLDA) in den
USA. Finanziert wird "Schuzh" unter anderem aus Spenden.
Homeschooling ist in anderen Ländern erlaubt und erfolgreich
Das Phänomen "Homeschooling"
stammt ursprünglich aus den USA, wo es sowohl aufgrund der
möglichen Entfernung zur nächsten Schule als auch aus
weltanschaulichen Gründen traditionell verankert ist und wo
zur Zeit fast 2 Millionen Kinder zu Hause unterrichtet werden. Seit
über 25 Jahren werden dort Kinder von ihren Eltern unterrichtet.
Fernschulen stellen Eltern das Unterrichtsmaterial zur Verfügung.
Dabei gibt es neben der klassischen Form mit festgelegten Unterrichtszeiten
verschiedene Varianten und Methoden, die sich an Begabungen und
Interessen der Kinder orientieren.
Wie in den USA ist Hausunterricht
auch in einigen europäischen Staaten wie Österreich, Frankreich,
Großbritannien, Schweden, Ungarn, Belgien, Irland, Italien
oder Dänemark erlaubt. Dort wurden mit dieser Lernform auch
sehr gute Erfolge erzielt. In Österreich oder benachbarten
Ländern werden Familien sogar oftmals vom Staat unterstützt,
indem sie Zugang zu Lehrbibliotheken oder Schulprojekten erhalten.
Zu den Argumenten der Befürworter zählen unter anderem,
dass Kinder zu Hause optimale Lernbedingungen vorfänden und
sie nicht in zu großen Klassen abgelenkt seien. Zudem könnten
minder- oder hochbegabte Kinder oder Kinder mit Schulangst oder
psychosomatischen Störungen besser gefördert werden. Auch
religiöse oder pädagogische Wertvorstellungen der Eltern
würden berücksichtigt, die im öffentlichen Schulsystem
nicht verwirklicht würden.
Günther Jauch beschäftigt sich in "Stern TV"
mit Homeschooling
Laut der "WamS"
wird die Familie R. in der Sendung "Stern TV" zu Wort
kommen, mit der sie offenbar einen Exklusivvertrag hat. Deutschlands
beliebtester Moderator Günther Jauch wird in den nächsten
Wochen das Thema "Homeschooling" in seiner Sendung behandeln.
Dabei soll es um Eltern gehen, die aus weltanschaulichen und religiösen
Gründen ihre Kinder lieber zu Hause unterrichten, anstatt sie
zur Schule zu schicken. Die Sendung "Stern TV" wird am
Mittwoch, 6. September, um 22.10 Uhr auf RTL ausgestrahlt.
Quelle: jesus.de / Christliches
Medienmagazin Pro, 31.08.2006
Autor dieser Webseite:
Uwe Schütz
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