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Ladenöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen in Berlin

Bundesverfassungsgericht entscheidet über Berliner Ladenöffnungszeiten an Sonntagen

22.06.2009: Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am Dienstag, 23. Juni 2009, um 10:00 Uhr über die Verfassungsbeschwerden der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (1 BvR 2857/07) und des Erzbistums Berlin (1 BvR 2858/07) gegen die Ladenöffnungszeiten an mehreren Sonntagen im Jahr, u.a. auch an allen vier Adventssonntagen, im Land Berlin.

Durch die Änderung des Grundgesetzes im Jahr 2006 ("Föderalismusreform") ist die Zuständigkeit zur Regelung der Ladenöffnungszeiten vom Bund auf die Länder übergegangen. Das 1. Gesetz zur Änderung des Berliner Ladenöffnungsgesetzes vom 16. November 2007 ist am 25. November 2007 in Kraft getreten.

In Berlin dürfen zur Zeit an zehn Sonn- oder Feiertagen Verkaufsstellen geöffnet werden

Das Berliner Ladenöffnungsgesetz sieht insbesondere hinsichtlich der Sonn- und Feiertage vor allem schon kraft Gesetzes und ohne die Erfüllung weiterer Voraussetzungen die Freigabe aller vier Adventssonntage in Folge in der Zeit von 13.00 Uhr bis 20.00 Uhr vor. Vier weitere Sonn- und Feiertage können "im öffentlichen Interesse" durch Allgemeinverfügung der Senatsverwaltung - ohne ausdrückliche uhrzeitliche Umgrenzung - freigegeben werden.

Hinzu kommen schließlich zwei zusätzliche Sonn- oder Feiertage, an denen Verkaufsstellen aus Anlass "besonderer Ereignisse" von 13.00 bis 20.00 Uhr nach Erfüllung einer Anzeigepflicht der Inhaber offen gehalten werden können. Damit ergeben sich in der Summe rein rechnerisch zehn Sonn- oder Feiertage, an denen eine Verkaufsstelle geöffnet werden darf.

Die Neuregelung erlaubt es, an den jeweils ersten Feiertagen (Sonntag) anstatt wie bisher an den jeweils zweiten Feiertagen (Montag) zu öffnen. Kunst- und Gebrauchtwarenmärkte dürfen an Sonn- und Feiertagen statt bis 16:00 Uhr nunmehr bis 18:00 Uhr geöffnet sein.

Im Vergleich der Bundesländer geht die Berliner Regelung mit Abstand am weitesten: Während das Berliner Ladenöffnungsgesetz dem gesamten Einzelhandel eine Verkaufsstellenöffnung an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen ermöglicht, sehen die meisten anderen Länder lediglich vier Sonn- und Feiertage zur Freigabe vor; in Baden-Württemberg sind es drei, in Brandenburg sechs.

Ev. und kath. Kirche berufen sich auf Art. 4 und Art. 139 des Grundgesetzes

Die Beschwerdeführerinnen wenden sich mit ihren Rechtssatzverfassungsbeschwerden insbesondere gegen die im Vergleich zur früheren, bundesgesetzlichen Regelung und zu den Ladenöffnungsbestimmungen in den anderen Bundesländern sehr viel weitergehenden generellen Ladenöffnungsmöglichkeiten an Sonn- und Feiertagen in Berlin. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, namentlich diese generellen Ladenöffnungsmöglichkeiten für insgesamt zehn Sonn- und Feiertage neben weiteren warengruppenspezifischen sowie orts- und anlassbezogenen Ausnahmeregelungen würden sie - zumal in ihrer Kumulation - in ihrem Grundrecht aus Art. 4 GG und Art. 139 WRV (Weimarer Verfassung, gemäß Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes) verletzen.

Der verfassungsverbürgte Schutz betreffe nicht nur die Möglichkeit, Gottesdienste und sonstige religiöse Veranstaltungen ungehindert von staatlichen Geboten oder Verboten abzuhalten, sondern gewährleiste durch die Verknüpfung mit Art. 139 WRV verfassungsrechtlichen Schutz der Sonntage im Sinne einer institutionellen Garantie zur "seelischen Erhebung", mithin - neben der sozialpolitischen Zwecksetzung (Arbeitsruhe) - mit einer religionsfördernden Zwecksetzung. Durch die Vorschriften würden die Rahmenbedingungen für ihre Religionsausübung dergestalt verändert, dass es ihnen unzumutbar erschwert werde, in einer ihrem Selbstverständnis entsprechenden Weise Gottesdienste und sonstige religiöse Veranstaltungen abzuhalten und ihre Gläubigen zu erreichen - insbesondere diejenigen, die im Einzelhandel arbeiteten. Betroffen sei fast ein Fünftel aller Sonntage im Jahr, darunter die vier Adventssonntage, die besonders sensibel und schutzbedürftig seien. Rein wirtschaftliche Motive des Gesetzgebers seien nicht geeignet, um diese Regelung verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Die Aushöhlung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Sonn- und Feiertage werde im Übrigen dadurch "komplettiert", dass das Gesetz keine wirksamen Sanktionen gegen Verstöße vorsehe: Zuwiderhandlungen könnten allenfalls mit einer geringen Geldbuße bis zu 2.500,-- € geahndet werden, die große Handelsketten kaum treffe.

In Bayern bleiben Sonn- und Feiertage geschützt

Im Hinblick auf die Diskussion über die Ladenöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen in Berlin sagte der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann: "Völlig überzogenen Aufweichungen des Schutzes unserer Sonn- und Feiertage erteile ich eine klare Absage. Der arbeitsfreie Sonntag muss als die Regel erhalten bleiben. Er ist oft der einzige Tag, an dem die Menschen Zeit für ihre Familien und Freunde haben. Wir brauchen verlässlich einen Tag, der nicht von Hektik und Alltag geprägt ist. In Bayern bleibt der arbeitsfreie Sonntag daher geschützt".

Herrmann: "Diese Regelung geht viel zu weit und wird den Bedürfnissen der Menschen, insbesondere der Familien nicht gerecht. Wir werden in Bayern an den Regelungen des bei uns nach wie vor geltenden Ladenschlussgesetzes des Bundes festhalten und Ausnahmen auf wenige Fälle beschränken." Jede Gemeinde dürfe somit jährlich höchstens vier verkaufsoffene Sonn- bzw. Feiertage anlässlich von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen zulassen. "Damit ist klar: Die Sonn- und Feiertagsarbeit muss die Ausnahme bleiben", so der Bayerische Innenminister.

Der Landesverband Bayern der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) begrüßt die Absage einer Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage durch den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann. Der KKV Bayern habe sich immer wieder für den Schutz des Sonntags eingesetzt und sich gegen Ladenöffnungen am Sonntag ausgesprochen, betont der Landesvorsitzende des KKV Bayern, Dr. Klaus-Stefan Krieger. Eine Entwicklung wie in Berlin, wo an zehn Sonn- und Feiertagen im Jahr die Geschäfte öffnen dürfen - darunter an allen Adventssonntagen - dürfe es nicht geben. "Es ist schon erstaunlich," bemerkt Krieger, "dass eine Regierung aus Sozialdemokraten und Sozialisten die völlige Kommerzialisierung des Advents erlaubt und dem Schutz der im Einzelhandel Beschäftigten und ihrer Familien so wenig Beachtung schenkt." Aber auch mit den vier verkaufsoffenen Sonntagen in Bayern ist Krieger nicht einverstanden: "Angesichts der heute weitgehend liberalisierten Ladenöffnungszeiten, die zudem vielerorts gar nicht ausgeschöpft werden, ist der Verkauf am Sonntag schlicht überflüssig."

Quellen: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 48/2009 vom 7. Mai 2009, www.berlin.de, Pressemitteilung des Bayerischen Innenministeriums PM 247/09 vom 21.06.09, KKV-Pressemitteilung vom 23.06.2009

Autor dieser Webseite: Uwe Schütz

 

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