Von der Leyens verzerrtes Familienbild
"Die Welt" setzt sich kritisch mit Bundesfamilienministerin
auseinander
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Bundesfamilienministerin
Ursula von der Leyen Pressefoto
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21.06.2008: Die Welt-Autorin Dorothea Siems wirft der Bundesfamilienministerin
von der Leyens vor, ihre Familienpolitik nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten
zu treffen - anstatt um mehr Verständnis für Familien zu werben.
Sie habe für die Kleinkinder leidenschaftlich Krippenplätze
erkämpft, aber damit die Familienpolitik der Union aufgemischt. Ihre
Popularitätswerte seien beeindruckend. Doch je länger die siebenfache
Mutter im Amt sei, desto größer wird auch die Schar derer,
die sich von ihr provoziert fühlen. Die Welt-Autorin Dorothea Siems
fragt:
Kümmert sich eigentlich noch jemand um die "Normalfamilie"?
"Von der Leyens Ideal ist das Doppelkarriere-Paar - ihr eigenes
Lebensmodell", so die Autorin über das Ziel der CDU-Politikerin.
Anlass dazu gab eine Studie der Bundesfamilienministerin und der Bertelsmann-Stiftung.
Die Studie besagt laut Siems, dass Eltern mit gemeinsam mehr als 100 Stunden
Arbeitswochen, Haushaltshilfen und Kinderfrauen von der Ministerin als
"gesellschaftliche Trendsetter" gepriesen würden. Dabei
würden Mütter vor allem das Modell der Teilzeitarbeit bevorzugen.
"Dass die überwältigende Mehrheit der Deutschen so gar
nicht leben will, sondern mehr Zeit für die Familie wünscht,
ficht die Tochter des früheren Ministerpräsidenten Ernst Albrecht
nicht an. Umfragen, die belegen, dass nicht nur im Westen, sondern zunehmend
auch im Osten die Frauen das Modell der Teilzeit arbeitenden Mutter gegenüber
der zu DDR-Zeiten üblichen Vollzeitberufstätigkeit bevorzugen,
ignoriert sie. Ebenso die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung, dass
Kinder unter drei Jahren am besten zu Hause aufgehoben sind."
Die regelmäßigen Erfolgsmeldungen der Familienministerin
Von der Leyens "permanente Erfolgsmeldungen triefen vor Selbstlob",
so die "Welt"-Autorin. Jedoch sinke beispielsweise die Zahl
der Neugeborenen bereits etwas und die Elternzeit werde entgegen den Erwartungen
nicht häufig von beiden Elternteilen in Anspruch genommen. "Von
der Leyen hat einen beängstigenden gesellschaftspolitischen Gestaltungswillen",
meint Siems. Durch Elterngeld, Krippenausbau und bessere steuerliche Absetzbarkeit
von Haushaltshilfen würden lediglich die Geburtenrate der Akademiker
gefördert werden.
"Die Ministerin scheint ernsthaft überzeugt zu sein, mit ihrer
Politik binnen Kürze nicht nur das Gebärverhalten der Deutschen
verändert zu haben, sondern auch die Männer zur 'stillen Revolution'
gegen traditionelle Rollenbilder bewegt zu haben.", so Siems . Jede
Quartalszahl zum Elterngeld, das Familien im ersten Jahr nach der Geburt
bekommen, diene als Anlass, über die "neuen Väter"
oder die Geburtenentwicklung zu jubeln. Eine nüchterne Betrachtung
der Daten zeige jedoch, dass sich im Kreißsaal oder am Wickeltisch
gar nicht so viel tut. Die Zahl der Neugeborenen ist im vergangenen Jahr
leicht gestiegen und sinkt seither wieder etwas.
Nie war Familienpolitik so ökonomisch und volkswirtschaftlich
Da im gleichen Atemzug pflegebedürftige Menschen laut von der Leyen
möglichst zu Hause von der Familie versorgt werden sollen, schlussfolgert
Siems: "Nie zuvor in der Bundesrepublik war Familienpolitik so ökonomisch,
so sozialtechnokratisch wie in der Ära von der Leyen." Schließlich
sei, anders als bei den Kleinkindern, die "Fremdbetreuung" im
Pflegefall volkswirtschaftlich ungünstig.
Statt in Wirtschaft und Bevölkerung für mehr Verständnis
für Familien zu werben, wolle von der Leyen die Familien nur effizienter
machen. "Kein Vorgänger hat der Normalfamilie - die schon mit
zwei Kindern und eineinhalb Jobs oft an die Grenze der Belastbarkeit stößt
- ständig ein solches Gefühl der Minderwertigkeit vermittelt",
so die Autorin.
Qriginalartikel: www.welt.de/welt_print/article2121308/Von_der_Leyens_verzerrtes_Familienbild.html
Autor dieser Webseite: Uwe Schütz
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