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Zwischen Gazafeldzug und Wahlkampf

Benjamin Netanjahu äußert seine Sicht zum Krieg gegen die Hamas

Benjamin Netanjahu
Foto: Johannes Gerloff

Er ist einer der populärsten Politiker des Landes und könnte Israels nächster Premierminister werden: Benjamin Netanjahu. In einer Begegnung im King David Hotel in Jerusalem stand der Oppositionsführer Israels Vertretern der Foreign Press Association in Israel Rede und Antwort - Mitte Januar, am Tage 18 der israelischen Offensive "Gegossenes Blei", gut einen Monat vor den Parlamentswahlen.

Netanjahu sprach über seine Sicht des Krieges gegen die Hamas, seine Stellung zur Regierung Olmert und seine Beziehung zu dem neuen amerikanischen Präsidenten.

Netanjahu hält den Gaza-Rückzug von 2005 für einen Fehler

Von Freund wie Feind gemeinhin nur "Bibi" genannt, war er von 1996 bis 1999 bereits Regierungschef. 2003-2005 war er Finanzminister, zuvor Außenminister und Botschafter seines Landes bei den Vereinten Nationen. Einerseits sprach er sich ausdrücklich gegen den Rückzug Israels aus dem Gazastreifen im Jahre 2005 aus und verließ deshalb die Regierung Scharon. Andererseits hat er mit Jasser Arafat verhandelt. Kein israelischer Regierungschef hat den Palästinensern so viel Land abgetreten wie Netanjahu.

Hier Auszüge aus dem Pressegespräch:

Der Krieg im Gazastreifen…

…ist ein gerechter Krieg. Es gibt keinen Krieg, der gerechter wäre.

Ziel der israelischen Militäroffensive "Gegossenes Blei"…

…ist ein eindeutiger Sieg über die Hamas. Dieser Organisation muss die Fähigkeit genommen werden, Israel zu terrorisieren. Zudem muss in der gesamten Region die Abschreckung vor Israel wieder hergestellt werden. Auch müssen die Wege, auf denen die Hamas in den vergangenen Jahren ihr Rüstungsarsenal im Gazastreifen anhäufen konnte, unterbunden werden.

Die Regierung Olmert…

…hat zur Erreichung dieser Kriegsziele unsere volle Unterstützung. Auch wenn sie sich entscheiden sollte, die Hamas-Herrschaft im Gazastreifen stürzen zu wollen, werden wir hinter ihr stehen.

Ans Ausland gewandt: Was würden Sie tun...?

…wenn Ihr Land acht lange Jahre mit Tausenden von Raketen beschossen würde? Acht Jahre, das sind zwei Amtszeiten eines US-Präsidenten. Können Sie sich vorstellen, dass irgendein Land in einem vergleichbaren Fall auch nur acht Monate, acht Wochen oder auch nur acht Tage warten würde, bevor es sich wehrt? Israel hat sehr, sehr lange gewartet!

Die Hamas…

…ist eine Terror-Organisation, deren Ziel die Vernichtung Israels ist. Wir haben einen Feind, der uns vom Angesicht der Erde wischen möchte. Die Hamas hat immer wieder geschworen, mit dem Raketenbeschuss weiterzumachen. Den einzigen Frieden, den sie will, ist ein Friedhofsfrieden: Israel im Grab und die Hamas tanzt auf den Gräbern.

Die Hamas ist wie Al-Qaida. Niemand spricht von einem Friedensvertrag mit Al-Qaida. Niemand denkt daran, Zugeständnisse an Al-Qaida zu machen. Letztendlich muss die Hamas aus dem Gazastreifen verschwinden.

Was würden Sie tun…?

…wenn Raketen von Moscheen, Schulen und aus der Zivilbevölkerung heraus auf Sie geschossen würden? Die Antwort ist: Sie würden mindestens das tun, was Israel heute tut! Dies ist nicht nur eine Schlacht um Sicherheit. Dies ist eine Schlacht um die Wahrheit und um die Gerechtigkeit.

Es ist nicht wahr…

…dass Israel Zivilisten im Visier hat. Es ist unsere Absicht, die zivilen Opfer so gering wie möglich zu halten. Wir trauern um jeden Unschuldigen, der Opfer dieses Krieges wird. Aber eine verantwortungsvolle Regierung kann Terroristen, die menschliche Schutzschilde benutzen, keine Immunität gewähren.

Wenn wir das tun - nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch auf dem Schlachtfeld der öffentlichen Meinung! - legitimieren wir den Terror. Wir legitimieren eine Taktik, die jetzt gegen uns angewandt wird - und letztendlich viele Ihrer Länder treffen wird. Ich sage dies mit großer Gewissheit: Wenn wir diesem Phänomen jetzt nicht Einhalt gebieten, wird es sich ausbreiten.

Die israelische Armee…

…macht eine ausgezeichnete Arbeit!

Sollte Israel den Gazastreifen wieder besetzen?

Ich war gegen den Rückzug aus dem Gazastreifen. Was ich befürchtet habe, ist eingetroffen: Der Gazastreifen ist zu einer Terrorbasis des Iran geworden. Ich denke nicht, dass wir jetzt zurück in den Gazastreifen gehen sollten, um ihn dauerhaft zu besetzen. Allerdings sollten wir diesen Fehler auch nicht wiederholen, indem wir beispielsweise die Golanhöhen, die Hügel, die Tel Aviv und den Ben-Gurion-Flughafen beherrschen, oder halb Jerusalem räumen.

Was kommt nach der Hamas im Gazastreifen?

Ein Großteil des palästinensischen Volkes und der arabischen Welt weiß, wer die Hamas ist. Manche hoffen im Geheimen - andere nicht so sehr im Geheimen - dass wir diesen Waffengang gewinnen. Es wird wenig darüber berichtet, aber die Hamas nutzt die gegenwärtige Krise, um politische Feinde auszuschalten. Viele Araber verstehen heute, dass die Hamas ihr eigener Feind und der Feind des Friedens ist.

Am Tag nach der Operation "Gegossenes Blei"…

…will ich den Plan für einen Wirtschaftsfrieden in der Region umsetzen. Die politische Atmosphäre erlaubt Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde momentan nicht, die Fragen der Flüchtlinge oder Jerusalems zu lösen. Die israelische Öffentlichkeit hat keinerlei Vertrauen. Es gibt keinen palästinensischen Partner, der in der Lage wäre, die Voraussetzungen für einen Frieden durchzusetzen. Deshalb müssen wir jetzt zuerst Stabilität, Vertrauen, Sicherheit und eine gemeinsame wirtschaftliche Basis aufbauen. Danach können wir politische Abkommen in Angriff nehmen.

Und die Zweistaatenlösung?

Alle Israelis - seien sie nun für oder gegen eine Zweistaatenlösung - sind sich einig:

Die Palästinenser werden niemals…

…den Luftraum kontrollieren.

…eine Luftwaffe oder…

…eine Armee haben. Ein künftiger Palästinenserstaat muss demilitarisiert sein!

…die Kontrolle über den elektromagnetischen Raum erlangen, der heute manchmal wichtiger ist als der Luftraum.

…die Möglichkeit bekommen, Waffen oder Kämpfer in diesen demilitarisierten Raum einzuführen.

Ich werde als Regierungschef dafür sorgen, dass Israel Grenzen haben wird, die es verteidigen kann. Die Palästinenser werden sich zwar selbst regieren können - aber niemals die Möglichkeit erlangen, das Überleben Israels zu bedrohen.

Die größte Gefahr heute…

…ist allerdings der Iran, der damit droht, uns auszulöschen. Wenn der Iran Atomwaffen bekommt, werden die Hisbollah im Libanon oder die Hamas in Gaza tausendfach gefährlicher, weil sie dann den Schutz eines "nuklearen Schirms" genießen. Als israelischer Regierungschef werde ich die Welt darauf aufmerksam machen, wie wichtig es ist, aktiv eine Atommacht Iran zu verhindern.

Das ist die wichtigste Frage, der sich der neu gewählte US-Präsident Barack Obama gegenübersieht. Ich habe ihm gesagt: Wie er verhindert, dass der Iran Atomwaffen bekommt, ist weniger wichtig für Israel. Entscheidend ist, dass er den Iran daran hindert, eine Atommacht zu werden.

Wie ist Ihre Beziehung zu Obama und vor allem auch seiner künftigen Außenministerin Hillary Clinton, die schon vor zehn Jahren einen Palästinenserstaat befürwortete?

Wenn ich gewählt werde, werde ich gerne mit dem neuen US-Präsidenten Obama und seiner Außenministerin Hillary Clinton zusammenarbeiten. Ich denke, beide haben in den vergangenen Jahren Wichtiges gesagt, das gehört werden sollte.

Beeinflusst der Krieg in Gaza nicht den Wahlkampf - zu Ihren Ungunsten?

Wir haben viele Wahlen. Aber wir haben nur ein Israel. Israel muss diesen Krieg gewinnen. Wenn wir die Wahlen nicht wie geplant durchführen, dann bedeutet das, dass die Terroristen die israelische Demokratie in Geiselhaft nehmen können.

Von: Johannes Gerloff, Journalist in Jerusalem

 

 

 

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