Europäische Werte?
Streit über Kruzifixe in Klassenräumen erneut vor Europäischem
Gerichtshof
30.06.2010: Der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte hat am heutigen Mittwoch in
Straßburg erneut darüber verhandelt, ob Kruzifixe in
Klassenräumen staatlicher Schulen gegen die Menschenrechte
verstoßen. Ein abschließendes Urteil wird in einigen
Monaten erwartet.
Klägerin ist Soile
Lautsi, eine gebürtige Finnin und Mutter zweier Söhne,
die im italienischen Abano Terme eine staatliche Schule besuchten,
in deren Klassenzimmern ein Kruzifix aufgehängt war. Damit
sei deren Religionsfreiheit
sowie ihr Erziehungsrecht verletzt worden, so die Atheistin. Da
der Staat zur Neutralität verpflichtet sei, müsse das
christliche Symbol entfernt werden.
Italiens Gerichte hatten auf Verbleib der Kruzifixe in Klassenräumen
entschieden
Die italienischen Gerichte
hatten in dem Rechtsstreit allerdings für den Verbleib der
Kruzifixe in Klassenräumen entschieden. Das Kruzifix repräsentiere
die italienische Identität. Es stehe für Gleichheit, Freiheit
und Toleranz und sei auch als Symbol für die Trennung von Staat
und Religion anzusehen.
Kleine Kammer hatte im November 2009 für Klägerin entschieden
Die Kleine Kammer des
Menschenrechtsgerichtshofes urteilte am 3. November 2009 zugunsten
von Lautsi und sprach der Mutter eine Entschädigung in Höhe
von 5.000 Euro zu. Die angebrachten Kruzifixe in Klassenräumen
verstießen gegen das Recht auf Erziehung durch die Eltern
und gegen die Religionsfreiheit. Gerade andersgläubige Schüler
würden mit dem Kreuz in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt
und könnten «verstört» werden. Auf Antrag
der italienischen Regierung wurde der Fall im März an die Große
Kammer zur erneuten Überprüfung verwiesen.
In der Verhandlung vor
den Straßburger Richtern betonte der Anwalt Lautsis, dass
staatliche Schulen dem Prinzip des Säkularismus, der Trennung
von Staat und Religion, verpflichtet seien. Niemand habe etwas gegen
Kreuze in katholischen Schulen. In staatlichen Einrichtungen müssten
diese aus Neutralitätsgründen aber entfernt werden.
Italien: Kreuze zwingen niemanden, gegen seine Überzeugung
zu handeln
Der Vertreter der italienischen
Regierung bestritt, dass Andersgläubige mit den angebrachten
Kruzifixen in Klassenzimmern in ihrer Religionsfreiheit verletzt
würden. Niemand werde gezwungen, gegen seine Überzeugung
zu handeln, nur weil ein Kreuz an der Wand hängt. Italien sei
ein neutraler Staat mit christlicher Tradition. Dies drücke
sich in dem Kreuz im Klassenzimmer aus. Unterstützt wird die
Position Italiens von mehreren überwiegend orthodoxen Staaten
wie Bulgarien, Griechenland und Rumänien.
Deutsche Bischöfe: Staat muss sich zu seinen Wurzeln bekennen
dürfen
Die katholischen Bischöfe
in Deutschland sprechen sich ebenfalls für den Verbleib von
Kruzifixen in Klassenzimmern aus. «Der Staat muss sich, wenn
er nicht seine Identität verlieren will, zu seinen Wurzeln,
Werten und Traditionen bekennen können, freilich ohne jemanden
eine Religion aufzuzwingen», sagte der Vorsitzende der katholischen
Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Zum Wesen des weltanschaulich
neutralen Staates gehöre es auch, die positive Religionsfreiheit
der Schüler nicht zu beschneiden, für die das Kreuz das
Symbol christlicher Glaubensüberzeugung sei.
Manfred Weber (CSU),
stellvertretender Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei
(EVP), sprach sich ebenfalls für Kruzifixe in Klassenzimmern
aus. «Europa muss sich zu seiner christlichen Identität
bekennen dürfen», so Weber. Das Kreuz in den Klassenzimmern
sei Ausdruck europäischen Werte wie Humanität und Solidarität.
Quelle: jesus.de-Newsletter
vom 30.06.2010 / epd
bearbeitet von Uwe Schütz,
AREF
|