Er sei am meisten
von den Schauspielern Jim Caviezel und Maia Morgenstern beeindruckt
gewesen. Caviezel und Gibson seien sich bewusst, "dass
Jesus der fleischgewordene Sohn Gottes und dennoch ganz Mensch
sei". Caviezel vermittle dies vor allem durch seine Mimik
und seinen Blick. Der Schauspieler zeige, dass Christus sein
Leiden und seinen Tod freiwillig, in Gehorsam gegenüber
seinem Vater auf sich genommen habe. Und es sei mehr als Gehorsam:
"Es geht vor allem um Liebe." Maia Morgensterns Interpretation
der Rolle der Mutter Jesu sei ebenso beeindruckend, urteilt
Di Noia.
Der Film sei insofern
"brutal", weil Christus brutal behandelt werde. Es
seien jedoch nicht mehr Gewaltszenen als nötig. Gibson
sei stark von der westlichen Ikonographie beeinflusst, die auch
mit der theologischen Tradition übereinstimme. "Gibson
zeigt uns auf dramatische Weise den inkarnierten Sohn, der fähig
ist, das zu ertragen, was ein normaler Mensch nicht ertragen
könnte - sowohl an physischer als auch an psychischer Qual.
Am Ende muss der zerstörte Körper Christi mit den
Augen des Propheten Jesaja gesehen werden, der den leidenden
Gottesknecht als so entstellt bezeichnete, dass man ihn nicht
mehr erkennen konnte."
Jim Caviezels physische
Attraktivität helfe, diese allmähliche Entstellung
noch besser zu begreifen, mit dem furchtbaren Ergebnis, das
Jesaja im 4. Lied vom Gottesknecht (Jes 53,2) festhielt: "Er
hatte keine schöne und edle Gestalt, so dass wir ihn anschauen
mochten. Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm."
Di Noia: "Es braucht das Auge des Glaubens, um zu sehen,
dass die Entstellung des Körpers Jesu die durch die Sünde
verursachte spirituelle Entstellung und Unordnung bedeutet."
Im 2. Korintherbrief 5,21 heiße es: "Er hat den,
der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht
..." Di Noia: "Wenn man den zerbrochenen Körper
Jesu im Film sieht, weiß man, was es bedeutet, 'zur Sünde
gemacht' worden zu sein."
In "The Passion
of Christ" werde niemand Bestimmter für den Tod Jesu
verantwortlich gemacht, sondern "alle". "Jeder
der Hauptcharaktere trägt irgendwie zum Schicksal Jesu
bei", sagt Di Noia: "Judas verrät ihn, der Sanhedrin
beschuldigt ihn; die Jünger verlassen ihn; Petrus verleugnet
ihn zu kennen; Herodes spielt mit ihm; Pilatus erlaubt, dass
er bestraft wird; die Menge beschimpft ihn; die römischen
Soldaten quälen, misshandeln und kreuzigen ihn; und hinter
dem Ganzen steht irgendwie der Böse." In Gibsons Film
werde klar: "Nicht eine einzelne Person oder Gruppen, die
unabhängig von den anderen handeln, sind anzuklagen: Alle
sind es."
Auch die theologische
Sicht zeige dies. "Die Sünden all dieser Leute wirken
zusammen, sodass es zum Leiden und zum Tod Christi kommt, und
es zeigt die fundamentale Wahrheit, dass wir alle anzuklagen
sind. Ihre Sünden und unsere Sünden bringen Christus
ans Kreuz, und er trägt sie freiwillig." Es sei ein
ernsthaftes Missverständnis, einerseits zu glauben, dass
ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen am Tod Jesu schuld
sei, andererseits zu meinen, dass man selber ausgenommen sei.
"Wenn ich nicht einer von den Angeklagten bin, wie kann
ich unter jenen sein, denen die Wohltaten des Kreuzes zuteil
werden?" Niemand wünsche sich, dass Christus am Kreuz
leiden muss, aber jeder wolle von seinen Sünden erlöst
und "im Blut des Lammes rein gewaschen" werden.
"Es gibt absolut
nichts Anti-Semitisches oder Anti-Jüdisches in Mel Gibsons
Film", stellt der Theologe fest. Es sei "bedauernswert",
dass Menschen, die den Film gar nicht gesehen haben, sondern
nur frühe Versionen des Drehbuchs, Anlass zu diesen Spekulationen
gäben. "Ich bin überzeugt, dass der Anti-Semitismus-Vorwurf
einfach verschwinden wird, sobald der Film gezeigt wird",
sagt Di Noia.
Eine Auswirkung des
Films werde sein, dass Menschen sich intensiver mit der Leidensgeschichte
Christi befassen. "Die Spiritualität jedes großen
Heiligen ist von einer besonderen Liebe für das Leiden
Christi gekennzeichnet. Warum das? Weil sie erkannten, dass
es keinen sichereren Weg gibt, um dem menschlichen Herz jene
Liebe zu entlocken, die beginnt, angemessen auf die Liebe Gottes
zu antworten, der seinen Sohn für unser Heil gegeben hat.
Ich denke, dass Mel Gibsons Film die Menschen zu dieser Art
von Liebe bewegt. Dein Herz müsste aus Stein sein, wenn
es von diesem außergewöhnlichen Film unberührt
bleibt und von der unergründlichen Tiefe der göttlichen
Liebe, die er sich bemüht, auf der Leinwand zum Leben zu
bringen."
Quelle: www.kath.net