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Inszenierte WahrheitVor 45 Jahren: ARD zeigt die TV-Satire "Das Millionenspiel"
18.10.1970: Im Abendprogramm der ARD läuft die TV-Satire "Das Millionenspiel": In der fiktiven TV-Serie eines Privatsenders können Kandidaten eine Million D-Mark gewinnen, wenn es ihnen gelingt, von drei Killern gejagt eine Woche lang zu überleben und das Fernsehstudio zu erreichen. Sowohl der Sender als auch die Zuschauer können für und gegen den Kandidaten in das Geschehen eingreifen. Die ganze Republik sitzt gebannt vor dem Fernseher und sieht, wie der 15. Kandidat eine Woche lang übermüdet und voll Todesangst auf der Flucht ist. Er könnte zwar vorzeitig aussteigen, aber ihn treibt nicht nur das Geld, sondern auch das Schicksal eines Aussteigers, der solange als Feigling verhöhnt wurde, bis er sich das Leben nahm. Und so erreicht der Kandidat angeschossen und dem Zusammenbruch nahe das Ziel und bekommt seine Million.
* * * Mit dem Stück haben die Drehbuchautoren Wolfgang Menge und Tom Toelle in einer Zeit, als sich unsere Fernsehwelt noch auf drei öffentlich-rechtliche Programme beschränkte, nicht nur Fernsehgeschichte geschrieben: "Das Millionenspiel" prophezeite, dass mit der Zulassung von kommerziellen Fernsehveranstaltern die Jagd nach Quote gepaart mit Sensationsgier und Voyeurismus der Zuschauer unser Wertesystem verändern werde. Ich fürchte jedoch, dass nicht nur die so genannten "Reality"-TV-Formate inszeniert sind, denn die Fernsehjournalisten brauchen jeden Tag "gute Bilder". Und das Problem aller Berichterstatter ist ja, dass das Normale uninteressant ist. (Saul Bellow) Uwe Schütz |