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Ultima Ratio 1) oder Verstaatlichung der Familie?

Familiengericht Darmstadt hat einem Ehepaar wegen Hausunterricht das Sorgerecht für seine vier Kinder entzogen

17.09.2012: Erneut entzieht ein Familienrichter Eltern das Sorgerecht, die ihre Kinder, statt sie auf eine Schule zu geben, zu Hause unterrichten. Während die Justiz einen staatlichen Erziehungsauftrag ins Feld führt, der notfalls auch gewaltsam umgesetzt werden müsse, bestehen die Betroffenen auf ihrem natürlichen und im Grundgesetz festgeschriebenen Elternrecht.

Wie jetzt bekannt geworden ist, hat das Familiengericht Darmstadt am 6. September 2012 Dirk W. und seiner Frau Petra die elterliche Sorge über ihre vier schulpflichtigen Kinder weitgehend entzogen. Damit gab es einem Antrag des Staatlichen Schulamtes statt, das um eine derartige gerichtliche Maßnahme gebeten hatte, da die Kinder nicht zur Schule gehen würden.

Die Eltern W. hatten ausführlich erklärt, ihr ‚Homeschooling‘ schade niemandem, vielmehr betrachteten sie es als einen Gewinn für ihre Familie. Dieser Umstand wurde von den Kindern des Ehepaares vor Gericht indirekt bestätigt. Ferner führten die Betroffenen umfassend und kenntnisreich aus, dass sie durch Hausunterricht ihr Elternrecht als ein – dem Schulpflichtgesetz übergeordnetes – Naturrecht wahrnähmen. Der deutsche Staat habe nicht das Recht, sie hieran durch Zwangsmaßnahmen zu hindern.

Das Jugendamt kann nun den Schulbesuch der Kinder gewaltsam durchsetzen

Dagegen setzte Familienrichter Markus Malkmus jetzt das Jugendamt Darmstadt-Dieburg als „Pfleger“ der schulpflichtigen Kinder ein. Diverse Bußgelder gegen die Eltern hätten „zu keiner Verhaltensänderung geführt“, sie würden weiterhin ihre Kinder zu Hause unterrichten. Das Jugendamt kann nun den Schulbesuch der Kinder gewaltsam durchsetzen und darf jederzeit in die Familienwohnung eindringen und sie auch durchsuchen.

In seinem Beschluss legt Malkmus den Eltern zur Last, sich seit Jahren „dem staatlichen Zugriff im Zusammenhang mit der staatlichen Beschulung“ zu entziehen, indem sie den Wohnort wechselten und „zeitweise ihren Wohnort sogar im Ausland nahmen“. Er begründet seinen Beschluß damit, dass das „geistige und seelische Wohl der Kinder“ dadurch „nachhaltig gefährdet“ sei, daß die Eltern „die für die Entwicklung der Kinder in einer pluralistischen Gesellschaft wichtige staatliche Schulerziehung ablehnen und verhindern“ würden.

Die vier Kinder wurden in Abwesenheit der Eltern vernommen

Die vier betroffenen Kinder waren in Abwesenheit der Eltern vernommen worden und hatten sich übereinstimmend eindeutig darüber geäußert, dass sie ihren Hausunterricht einem Schulgang vorziehen und gerne weiterhin zu Hause unterrichtet werden möchten. Ferner erklärten die älteren Kinder, dass sie Freunde bzw. Freundinnen in erreichbarer Nähe hätten.

Nach Meinung des Richters können Kinder nur durch Schulbesuch „Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung“ lernen

Dem Gericht zufolge verhindere das Fernbleiben von der Schule, dass„die Kinder in das Gemeinschaftsleben hineinwachsen können“. Es sei notwendig, „Kinder auch anderen Einflüssen als denen des Elternhauses auszusetzen.“ Nach Meinung von Richter Malkmus könnten Kinder nur durch Schulbesuch „Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung“ lernen. Allerdings erklärte er nicht, inwiefern Hausunterricht das „geistige und seelische Wohl“ der Kinder von Dirk und Petra W. konkret gefährden würde oder ab welcher Anzahl von Kontakten zu Gleichaltrigen das Kindeswohl gesichert sei.

Das Gericht beruft sich auf den relativ neuen Absatz 3 im §1666 BGB

Außerdem legte er in keiner Weise dar, worin ein „staatlicher Erziehungsauftrag“ bestehe und warum er dem elterlichen Erziehungsrecht übergeordnet sei. Statt dessen bezog er sich auf „das deutsche Schulrecht“, das die Eltern dazu verpflichte, „die Kinder zur Befolgung der Schulpflicht anzuhalten“. Die Kinder nicht einer anerkannten Schule „zuzuführen“, sei ein „Missbrauch der elterlichen Sorge“.

Für seine Feststellung von Kindeswohlgefährdung wegen Hausunterrichts beruft sich das Gericht sich auf § 1666 BGB. Dieser Paragraph stellt unter anderem sexuellen Mißbrauch von Kindern in der Familie, körperliche Mißhandlung oder den Zwang zu strafbaren Handlungen des Kindes in eine Linie mit mangelndem Schulpflichtbewußtsein der Eltern.

Schulpflicht erfüllt nach Auffassung des Familienrichters "Gemeinwohlinteressen“

Die Erfüllung der Schulpflicht lasse nach Malkmus einen „Gewinn für den staatlichen Erziehungsauftrag und die hinter ihm stehenden Gemeinwohlinteressen“ erwarten. Der Familienrichter bezichtigte die Eltern, die er mit einer „religiösen oder weltanschaulichen Minderheit“ gleichsetzte, „massiver Uneinsichtigkeit“. Daher sei es verhältnismäßig, die Herausgabe der Kinder „unter Einsatz von Gewalt“ zu erzwingen. Nur so könnten die Kinder „vor dem Mißbrauch der elterlichen Sorge wirksam“ geschützt und der staatliche Erziehungsauftrag „im wohlverstandenen Kindesinteresse“ durchgesetzt werden.

Diesen wie auch den anderen vage und unkonkret gehaltenen richterlichen Behauptungen, warum Schulpflicht unter allen Umständen durchzusetzen sei, fehlt eine rechtlich belastbare Begründung. Es ist zu vermuten, dass der Fall höhere Gerichte beschäftigen wird – die Frist zur Einlegung einer Rechtsbeschwerde läuft.

Quelle: derblauebrief.net

Das Wächteramt des Staates

Ein Entzug der Personensorge darf nach BGB §1666 nur dann angeordnet werden, wenn alle anderen Maßnahmen erfolglos geblieben sind. Es muss am Ende einer langen Kette stehen

"Es ist ja nicht so, dass wir mit allen Mitteln bestrebt sind, den Eltern ihre Kinder wegzunehmen. Ganz im Gegenteil. Aus meiner Sicht ist es für ein Kind das Beste, wenn es in einer intakten Familie aufwächst", heißt es Wolfgang Hofmann, ebenfalls Familienrichter in Darmstadt, in einem Artikel von Maria Held (07.06.2011, 11:50 Uhr auf t-online.de) . "Wenn in der leiblichen Familie aber kein gesundes und gedeihliches Aufwachsen garantiert ist, dann muss der Staat sein Wächteramt ausüben und das Familiengericht eingreifen."

1) Als Ultima Ratio bezeichnet den letzten Lösungsweg, das letzte Mittel oder den letzten Ausweg in einem Interessenkonflikt, wenn zuvor alle sonstigen im ethischen Sinne vernünftigen Lösungsvorschläge verworfen wurden, da mit ihnen keine – oder angeblich keine – Einigung erzielt werden konnte.

Autor dieser Webseite: Uwe Schütz


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