Bildung oder Schulregiment?
Vor 300 Jahren: Preußen führt die Schulpflicht ein
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Verordnung
zur Einführung der Allgemeinen Schulpflicht in Preußen
vom 28.09.1717 |
28.09.1717: König
Friedrich Wilhelm I. führt für ganz Preußen die
Schulpflicht ein. In seiner Verordnung bestimmt er, dass alle Kinder
vom 5. bis zum 12. Lebensjahr unterrichtet werden und erst entlassen
werden, wenn sie lesen und schreiben können.
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Karte
von Preußen im 18. Jahrhundert. Gebietszuwächse während
der Herrschaft Friedrichs I. in violetter, Friedrich Wilhelms
I. in roter, Friedrichs II. in grüner, Friedrich Wilhelms
II. in blau. Grafik: Public domain, Quelle:
wikipedia.de |
Besonders in der Landbevölkerung
stieß die Schulpflicht auf Widerstand. In kleinbäuerlichen
Betrieben wurde die Arbeitskraft der Kinder als wichtiger angesehen
als deren Schulbildung. Doch
auch ein flächendeckendes Schulsystem blieb noch lange Wunschdenken,
denn es fehlten Schulgebäude, Lehrer, Geld und auch die staatliche
Verwaltung, denn bis dahin kümmerten sich fast ausschließlich
kirchliche Träger um Bildung.
Erst 1919 schrieb die
Weimarer Verfassung
die allgemeine Schulpflicht für ganz Deutschland fest. Die
Nazis verfügten dann 1938 mit dem Reichsschulpflichtgesetz,
dass die Schulpflicht durch den Besuch einer reichsdeutschen
Schule zu erfüllen sei, weil nur sie die Erziehung
und Unterweisung der deutschen Jugend im Geiste des Nationalsozialismus
sichere.
Mit der Gründung
der Bundesrepublik wurde diese Schulgebäudepflicht in die
Ländergesetze übernommen und gilt bis heute. Eltern, die
sich dieser Pflicht widersetzen, machen sich strafbar, obwohl das
Grundgesetz eigentlich auf ihrer Seite ist: Laut Artikel 6 ist die
Kindererziehung das natürliche Recht der Eltern (Art.
6 Abs.2 GG).
Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht
scheiterten mit der Begründung, die Schulpflicht diene zur
Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags. Doch den gibt es
im Grundgesetz gar nicht. Unsere Verfassungshüter konstruierten
ihn aus der Aufsichtsfunktion des Staates (Art.7 Abs.1 GG).
Heute versucht der Staat
mit immer neuen familienpolitischen Maßnahmen (z.B.
2007: Elterngeld;
2008: Kinderförderungsgesetz)
, dass Eltern ihre Kinder immer früher abgeben, und ich frage
mich jedesmal: Hält der Staat sich für den besseren Erzieher
oder welches ideologische Ziel verfolgt er?
Unsere Wirtschaft verlangt
besser ausgebildete Menschen, die Schule kann aber kaum das bisherige
Bildungsniveau halten. Wie kommen wir aus diesem Dilemma heraus?
Das Geheimnis erfolgreicher Bildung sind starke Bindungen. Und deshalb
sollten die deutschen Länder nicht Kinder erziehen, sondern
endlich die Bildungspflicht
wieder einführen und ihre Familien stark machen.
Uwe Schütz
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